"Atemwolke"
2017, 1400 Wasserbälle gefüllt mit Atemluft
Tausend leicht durchsichtig schimmernde Bälle machen von Pfingsten bis zum Reformationssonntag 2017 als Atemluftinstallation an 10 evangelischen Luzerner Kirchen und an der katholischen Hofkirche halt.
Die "Atemwolke" konservierte Atemluft von 1400 Menschen, gesammelt an verschiedensten Aktionen.
Bild 1: Kirche Gerliswil, aus dem Kirchturm
Bild 2: Kirche Buchrain, im Entrée
Bild 3: An der Wand der Matthäuskirche, Luzern
Bild 4: Hofkirche, aus dem Heiliggeistloch
Bild 5: Horw, aus dem Glockenturm
Bild 6: Weggis, schwimmend auf dem See
Bild 7: Nochmals Gerliswil, beim Aufbau


Fast wäre der Atemwolke die Luft ausgegangen.
Pfarrer Ulrich Walther im Gespräch mit Künstler Micha Aregger über sein Kunstprojekt.

Ulrich Walther: Herr Aregger, Sie haben das Kunstprojekt "Atemwolke" für die reformierte Kirche inszeniert. Bereits seit Anfang Juni ist ihr Kunstwerk unterwegs. Von Mitte September bis Mitte Oktober war es vor der reformierten Kirche Sursee zu sehen. Was hat Sie bewegt, ein Kunstwerk aus menschlicher Atemluft zu schaffen?

Micha Aregger: Als Künstler suche ich bewusst nach Bedeutungen in dem, was ich betrachte. Beim Sinnieren über die Atemluft kommen mir viele Ideen. Von der Luft kann man einiges lernen. Zum Kunstprojekt und deren Realisation ist es durch Pfarrer Marcel Köppli gekommen. Er hat mein Schaffen seit einiger Zeit verfolgt und mich vor gut einem Jahr eingeladen, zusammen mit ihm für die reformierte Kirche ein Kunstprojekt zu deren 500jährigen Jubiläum zu entwickeln.
Die Anforderungen an dieses Projekt waren inhaltlich anspruchsvoll und organisatorisch komplex: zum einen sollte es um die Reformation gehen, um Gnade, Kirche und Gemeinschaft; zum anderen sollten sich möglichst viele Personen am Projekt beteiligen können. Zudem musste das Kunstprojekt inhaltlich reichhaltig sein und es sollte ausgehend vom Kunstwerk möglich sein, zentrale christliche Themen aufzugreifen. Des Weiteren sollte das Kunstwerk eine gute Grösse aufweisen und einigermassen transportierbar sein.
Das Resultat ist die "Atemwolke", so wie sie in den vergangenen Monaten an verschiedenen reformierten Kirchen und an der katholischen Hofkirche zu sehen war.


Ulrich Walther: In Sursee haben sie die Atemwolke nicht hoch oben am Kirchturm installiert. Sie wollten sie aus der Kirche herausquellen lassen und zeigen, dass sie sich in den Bäumen und im Aussenraum verteilt. Ähnlich, wie es im Johannesevangelium beschrieben wird, Joh 3,8: "Dort weht Geist Gottes, wie der Wind, wo er will".

Micha Aregger: Jeder Ort und jedes Gebäude hat seine Eigenheiten und Spezialitäten. In Sursee schienen mir Kirche und Umgebung als ideal, um die Wolke für einmal zu verstreuen und auf dem ganzen Areal grosszügig zu verteilen. Die Inszenierung selber bekommt dabei eine tiefe Bedeutung, sie steht für das annähernde, überraschende und unbändige Wesen Gottes. Der Geist weht wo er will, aber er weht zum Menschen hin. Ich finde es ein grosses Geheimnis und ein unglaubliches Privileg, dass sich der Schöpfer nach seinen Geschöpfen ausstreckt.

Ulrich Walther: Ihre Idee, die Atemwolke den Menschen ganz nahe kommen zu lassen, hat zu Komplikationen geführt. Was ist passiert?

Micha Aregger: Es wurden viele Bälle mitgenommen: von Passanten, Kindern und auch Menschen die an einem kirchlichen Anlass teilgenommen haben. Ein Kind zum Beispiel, wollte drei Bälle mitnehmen. Als es merkte, dass die gefüllten Bälle nicht auf den Gepäckträger seines Velos passten, hat es die Luft herausgelassen und die Bälle so mit nach Hause genommen. Leider gab es zudem auch an einem Samstagabend einen grösseren Vandalenakt.

Ulrich Walther: Danach haben sie ein Teil ihres Kunstwerkes in Sicherheit gebracht. Warum?

Micha Aregger: Die Bälle welche aus der Installation herausgelöst wurden, habe ich in den Kirchenraum in die Bänke gelegt. Die "Atemwolke" wird noch gebraucht und sollte noch möglichst vollständig nach Buchrain, Kriens und zuletzt auch noch nach Malters weiterwandern. Das Projekt hat viel Staub aufgewirbelt und an vielen Orten Menschen positiv berührt und zum Denken angeregt. Insgesamt überwiegen die positiven Erlebnisse bei weitem und ich freue mich auf die letzten drei Stationen.
Manchmal muss die Kirche etwas schützen, das von der Gesellschaft vielleicht nicht, oder nicht mehr als schützenswürdig erachtet wird. Die Kirche hat eine grosse Aufgabe und sollte sich hin und wieder mutig gegen den allgemeinen, zeitgeistlichen Strom stellen.




using allyou.net